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Unsere plattdeutsche Sprache
Bis in die Jahre vor dem
1. Weltkrieg wurde sie in Hahausen fast ausschließlich gesprochen, die plattdeutsche, ostfälische
Sprache. Nur die "Studierten"; Lehrer, Förster und Pastoren, sprachen hochdeutsch. In der Schule wurde
Hochdeutsch gleichfalls benutzt, obwohl manchen Kindern die hochdeutsche Sprache erst beigebracht werden musste.
Bereits in den Jahren nach 1900 versuchten einige Familien,
die sich "etwas Besseres" dünkten, ihre Kinder auch im Elternhaus hochdeutsch zu erziehen, obwohl sie
selbst noch plattdeutsch sprachen. Dadurch entstand dann eine Art Mischsprache, das "Missingsch"."
Den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik und auch die Jahre vor dem
zweiten großen Krieg überstand das Plattdeutsche in Hahausen noch ziemlich unangefochten, obwohl jetzt
nahezu alle Eltern dazu übergingen, mit ihren Kindern nur noch hochdeutsch zu sprechen. Selbstverständlich
lernten die Kinder das Plattdeutsche trotzdem, da sie es ja täglich von Eltern, Verwandten und Nachbarn hörten.
Dann kam der Krieg; die große Völkerwanderung begann. Im Jahre
1948 standen in Hahausen 726 Einheimischen 202 Evakuierte und 815 Vertriebene gegenüber.
Das Sprachbild änderte sich. Nur noch die alten sprachen
plattdeutsch und heute sind sie an den Fingern abzuzählen, die Wenigen, die sich untereinander noch in der
plattdeutschen Sprache unterhalten. Doch nicht nur das Plattdeutsche verschwand, auch die ostdeutschen Dialekte
wurden abgeschliffen und aufgesogen. Konnte man in den Jahren nach dem Kriege noch das breite Ostpreußisch
und die typisch schlesische Sprachform in Hahausen hören, so ist davon heute kaum noch etwas zu spüren.
Die jüngeren Vertriebenen und erst recht deren Kinder sprechen jetzt das
"ostfälische Hochdeutsch" genau so wie die Nachkommen der alteingesessenen Familien.
Ursprünglich war plattdeutsch, das kein Dialekt,
sondern eine eigene Sprache ist, in unserer Gegend die einzig gesprochene und auch geschriebene Sprache. Auf die
cheruskischen Sprachelemente, die sich gerade im Ostfälischen erhalten haben, wurde bereits weiter vorn
hingewiesen. Auch einige der "ältesten Urkunden von
Hahausen" sind, außer in einer lateinischen, auch noch in einer plattdeutschen Form überliefert.
Aus den Gerichten ist das Plattdeutsche bereits seit 1532, aus der
Kirche seit Mitte des siebzehnten und aus den Städten seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts verdrängt.
Wenn sich heute auch mancherorts eine gewisse Renaissance des
Plattdeutschen anzubahnen scheint, so hat es doch kaum noch eine Zukunft.
Es sollten daher nachstehend einige plattdeutsche
Erzählungen in Hahäuser Mundart, die 1951, 1970 und 1981 Wilhelm Kalthammer niedergeschrieben hat,
wiedergegeben werden als Erinnerung an vergangene oder doch vergehende Zeit.
von Wilhelm Kalthammer
De Gemeinderatswahl
"Frünsminschen" harre Krischan
esecht.
"dei wörd ewählt!" Dabei harre met'n Peipensteel up Hannes
eweiset, dei jejenuover,
vor seiner Hinderdör, Holt hacke: "Vor ösch kümmt kein anderer in Frage, dat is doch woll klar."
De Mudders harre met'n Koppe enicket un was up'n Hoff egahn.
Sei wundere seck all'längst nich mehr over dei Mannsluie un von Politeik vorstund se gar nist.
Bluots,
dat dei Ole nün upperstund den Hannes wählen wolle, dat kamm öhr doch spansch vor. Krischan
un Hannes wörrn beide Holthauer ewest, un wenn dei beiden tausammen keimen, denn namm dat Rinkefailen kein
Enne.
Wie sei noch sau darober nachdachte, höre se Kahrl raupen: Zuffai,
kumm doch mal her!" Karhl stund under seinen Tweschenboome un kamm jetzt an'n Tüin. Hei make glüpsche
Oogen un tüstere: "Zuffai, an'n Sönndach, da wählste aber meck, eck bin doch dein
Nahber!"
Sau Hille, wiei Kahrl erkomen was, vorschwund hei ok wedder, un dat harre seinen
Grund, denn de Pastuor kamm gerade üt'n Holte, hei harre seinen "Morgenspaziergang"
emaket. Kahrl was den
Pastuore nich greun, un darümme wolle ne nich begegnen.
"Guten Morgen, liebe Frau" säe de Pastuor un bleef bei Zuffai stahn,
denn sei wörre ne strikte Kerkengängersche. "Es ist aber auch ein wunderschöner Tag heute."
"Jaja, Herr Pastuor, en paar schöne Dage könnt wie ok noch
vordragen" meine sei, "et geiht ja ock up'n Winter tau."
Nün, sau köddern dei beiden. Ein Woort hale dat andre un as de
Pastuor all an'n Weiergahn was, meine hei, dat'n morjen doch up alle Fälle de rechten Luie wählen solle.
Zuffai namm en Bessen un fege de Goote, wei an jeden Sünnabend. An'n
Telegrafenmaste kleiben bunte Plakate. Dat was vor de Wahl. Zuffai studeere dei Zettels , sei brüke noch
keine Brille, antzant se all' over seibzich was. Ja, un da stund denne, schwart up witt up rot un wat et
süß noch vor Farbenkram gifft: "Wir haben die richtigen Männer" oder "Mit uns in eine bessere Zukunft"; un up einen Zettel stund
ok Hannes sein Name.
Am Sönndach gingen Krischan un Zuffai in't Wahllokal. Krischan säe
noch: "Vorgitt nich, wat eck deck eseggt hebbe", denn verschwund en jeder hinder saunen olen Vorhang,
umme da sein Kruize tau maken.
Als se nah Hüs gingen, meine Krischan: "Dü heßt doch ok
den Rechten ewählt?" "Jaja, dat hewwe eck ganz bestimmt" säe
Zuffai, un dabei harre sei en
güet Gefuil. Krischan brüke ja nich tau wetten, dat sei hinder jeden Namen up den Zettele en Kruize
emaket harre. Dat wörrn doch alle saune güen Minschen: Hannes un Kahrl un ok dei beiden, dei de Patuor emeint harre, Gustav un Otto, dei harren huite morgen
in der Kerke wedder sau schön esungen. Un dei anderen da up der Liste, denen öhre Namen sei all 'up
den Plakaten eseihn harre "Mit uns in eine bessere Zukunft" un "Wir haben die richtigen Männer", worümme
soll sei dei nich ok wählen? Zuffai was jedenfalls ganz taufreen midde seck sülmst.
Eine Geschichte aus dem Jahre 1970
von Wilhelm Kalthammer
Drei Luie üt Hahüsen
August harre ne Weische in’n Seesener Felle.
Midden drinne stund en groten Jagdstand. Mein Großvader säe tau öhne: "August, dat Dings da
wörre eck aber nich stahn laten, dat verschippet ja de ganze Weische." Da meine August:
"Teuf man de Teit af. Dei Jagdstand hört Studienrat Harke von der
Jacobsonschaule.
Un dü weißt ja, erst mot mein Udo met der Schaule fertig sein,
denne vorschwindt ok dei Jagdstand!" Nün, et düre nich lange, da harre Udo sein Abitur emaket – hei
solle Avkate wern, wat e ja denn ok eworrn is – un denne moßte dei Studienrat seinen Jagdstand
afreiten. August meine tau meinen Großvader: "Hebbe eck deck dat nich gleik
eseggt?"
Hannes harre dat Beil in’n olen Sack innewickelt, up seinen Handwagen
eschmetten un was na’n Holte egahn. Underwegs dreip ne de Stuikenförster: "Wat heste denn da in den Sacke?"
freug hei. Hannes säe: "Lüttsche Hunne met Perücken" un trecke
weier. Die Stuikenförste schimpe un reip hinder öhne her: "Teuf man, deck were eck all‘
kreigen."
Hei dachte seck nämlich, dat Hannes Holt halen wolle, ohne Holtschein un met ‚n Beile, un dat was strafbar. Hannes
lache blot un meine: "Dü kannst meck mal in’n Maase kleien." Nah ner Weile dreie hei jedoch wedder ümme un ging nah Hüs. Dei Sache was ne huite doch tau
gefährlich eworrn.
Doch die Stuikenförster passe jetze höllisch up.
Et düere ok nich lange, bet hei üsen Hannes andreif, wei hei in’n Stangenholte wörtschafte.
Hannes moßte na Lutter vor’t Gerichte un word tau ner Woche Gefängnis
verurdeilt. Nün satt hei in den duisteren Locke bei Water un Brot. Aber dat make öhne nist üt.
Jetzt konne seck erst mal sau richtig ütschlapen und brüke nist tau
daun. Doch damidde harre seck
gewaltig vorreeket. Gerade harre seck en betjen in seiner Zelle umekeken, da kamm doch dei
Gefängniswachtmester tau öhne rin un meine, hei solle doch in’n Gefängnishowwe Holt
hacken. Da word et Hannes aber tau bunt; "Wenn eck sitte, dann sitte eck, dann hacke eck kein Holt!"
Nün, ob hei wolle oder nich, hei moßte doch Holt hacken.
Dei Woche in’n Gefängnisse ging ok vorbei und Hannes leit seck jetz nich mehr von dem Stuikenförster schnappen.
Die leip all 'ne ganze Teit midde ner dicken Schnüte
rum, un de Oogen konne hei küme noch upkreigen. Hei säe tau den
Luien, hei wörre in’n Duistern estolpert
un harre seck dabei dat Mühl upeschlan.
Heinrich, ok "Pärsenkönnig vor’n Sweinskötteldore"
enoimt, harre seck all‘ den ganzen Dag met seinen Jungen rinkefailt. Hei konne öhne nist richtig
maken. Endlich wort
et ne tau bunt un hei meine: " Dü söllest meinen Vader ehaft
hebben, denne wörre et deck aber schlechte egahn." Dei Junge, dei ok nich up dat Mühl efallen was,
säe: "Dü magst meck ok en schönen Vader ehaft hebben." Dat was taufeele vor den Olen:
"En besseren Vader wei dü, en bessern Vader wei dü!"
Eine Geschichte aus dem Jahre 1981 von Wilhelm Kalthammer
Dei schlaue Wilddeif
In olen Teien, et mag nün woll
balle an de hundert Jahre her sein, da gaff et doch in'n Dörpe Hahüsen en Löppelschnitzscher, dei
konne un konne dat Wildern nich sein laten. Dagsober satt hei un schnitzsche an seinen Löppeln un Quörlen
un anderen hölternen Gescherre: dat Holt datau harre seck meistens up deiselbe Weise wei dei Hirsche un Rehe, Hasen un Fösse
beschaffet, up ehrliche Art aber gewiß nich. Gegen Abend aber, wenn et gerade sau en betjen schakkerig
word,
dann packe sein Schnitzschemest beiseite, namm sau en olen Kaufaut (Gewehr) taur Hand, schmer seck dat Gesichte met
Ruß in, schmet en Schnappsack obern Rüggen und aff ging
hei.
Sau manchet Stücke Wild harre all eschoten,
dei Försters ärgern seck swart un greun, schleugen seck de Nächte um de Ohren, um den Wilddeif
tau erwischen, doch was dat immer ne vergebliche Meuhe, de Löppelschnitzscher harre all längst Lunte
eroken.
Doch et is ja en olet Sprichwohrt "Narrenspeel will
Rühm hebben" un ok "De Kraug geiht sau lange taun Water, bet he brikt". Jedenfalls word dei Wilddeif
immer dreister un dreister; woll leit hei seck nich beim Wildern schnappen, doch eines Dages harre hei dat Pech,
dat ne de Förster bei'n Holtstehlen stelle. Frech, wie hei was, schimpe und querulere üse
Löppelschnitzscher, un damidde nich genaug, drohe bei hei den Beamten, dei ne
inschreif; "Sei froh, dat wie nich mehr 48 schreibet, denn ginge
et deck aber schlechte!"
Kort un güt, dorch düssen Uptritt was dei
Förster mißtrüsch eworden, hei dachte seck sein Deil: "Solle düsse Minsche nich deiselbe sein,
dei sau schauderhaft under den Wildbestanne upruime?
Noch manch Dag un manche Nacht vorging, dei Man, dei den
Harzbargen lüchte, was woll die einzige, dei wußte, wat espeelt
word, denn ofte, ofte blenkere hei den
Wilddeif in't rußbeschmerte Gesichte. Manchet Stücke Wild sach hei in'n Fuier tausammenbreken un meist,
wenn hei all an'n Verblassen was, sach hei üsen Wilddeif met schwarzem Rucksack in de Hinterdör
schleiken.
Einmal harre ne de Förster balle eschappet, doch
im lesten Moment konne seck de Löppelschnitzscher noch in Sicherheit bringen.
Am anderen Morgen kamm dei Förster met'n Lutterschen
Polizisten, dene hei rasche informeert harre un dei begierig was, den Wilddeif an den Pärschwanz tau binnen, um
ne seiner gerechten Strafe tataufeuren. Hille gingen se in dessen Stübe, um ne tau
oberraschen, doch harren se wohl nich met der Schlauheit det Löppelschnitzschers
ereket. Seine Frü stund
in einer Ecke det armseligen Rümes un schaukelte öhr Kind in der
Weege. Dabei huilte dat arme Waif tau'n
Gotterbarmen: "Ach, Herr Förster, Herr Wachtmeister, mein arm Kind, dat is ja sau krank, ach
Gottogottogott!"
Dei beiden Beamten wörrn en paar gefuilvulle Minschen. Sei keken
seck an un schleken beträen üt der Stübe. Dann sochten sei dat ganze Hüs
dorch, vom Hahnebalken
bet in den Kellder, jede Ecke, jeden Winkel bekeken sei. Dei Förster word immer
wuitender, die Poliziste schüddele den Kopp un de Löppelschnitscher satt an seinem
Dische, fleute seck en
Lied un greine ober't ganze Gesichte, dabei schnitzsche an en Stücke Holt, dat ok eklauet was.
Dei beiden Beamten moßten met langen Gesichtern
afträen....Butten seggte de Förster tau'n Polizisten: "Herr Wachtmeister, wer soll das verstehen?
Ich habe den Mann in der vergangenen Nacht deutlich erkannt, als er ein Stück Wild auf dem
Rücken trug."
Dei Poliziste greine bluots lichte un zwinkere met'n Oogen,
denn sette seck up sein Pärd un ritt na Lutter.
Doch härren dei beiden jetze in de Stübe ekeken,
sau wörre ne dat Nadenken un ok dat Greinen vorgan, denn met einem Schwupp harre dei Früh öhr Kind
üt der Weege, dat gar nich krank ütsach, un darundere...da lag dat Reh, dat de Löppelschnitzscher
in der vorigen Nacht eschoten harre.
Eine Geschichte
aus dem Jahre 1951
von Wilhelm Kalthammer
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